Die Menschen in Europa haben zusehends die Nase voll
In der Schweiz haben die Bürger gegen die grenzenlose Bereicherung der Manager entschieden. In Italien wurde eine Regierung der Technokraten abgewählt. Die Empörung nimmt zu, und die Wut auch. Aber manche fürchten nur um ihr Geld und schimpfen.
Die Sparpolitik, die scheinbar souverän seit über zwei Jahren Europa aus der Krise führen soll, sei „selbstverständlich“ und „alternativlos“ – aber nur eins ist gewiss: Sie ist weder das eine noch das andere! Die einzige „souveräne“ Reaktion auf die Wahl in Italien ist die der „Märkte“ – keine „klaren Verhältnisse“ bedeutet Herabstufung der Kreditwürdigkeit und höhere Zinsen als „Quittung für Wahlchaos“. Scheinbar ist es inzwischen normal, dass „die Märkte“ der Politik eine Quittung schreiben.
Ja, warum bestimmen die Finanzmärkte nicht gleich die Regierung? Oder es ist in Wirklichkeit schon längst passiert. Mario Monti in Italien und Loukas Papademos in Griechenland, das waren Technokraten, die den Erwartungen der Märkte und auch Angela Merkel entsprochen haben. Jetzt wissen wir was die Wahlen gebracht haben. Wir sollten nicht so tun, als ob man das nicht hat kommen sehen. Wenn nicht, umso schlimmer. Wobei, im Gegensatz zu Griechenland, wo die „Goldener Morgen“ Rechtsextremen zu drittstärkster Kraft herausgekommen ist, Italien hat eigentlich die Fortsetzung der Austeritätspolitik sabotiert könnten man sagen. Denn, schaut man sich die Forderungen der „Grillini“ mal genau an – Begrenzung der Amtszeiten, Reduktion der Diäten, Gesetze gegen Interessenkonflikte der Politiker – das sind Moralisten und keine „Clowns“. Und vielleicht Volksvertreter im besten Sinne.
Erinnern wir uns zurück – die Ideologie des Dauersparens sollte Europa aus der Krise bringen. In Wirklichkeit aber lässt die „Austerität“ die Wirtschaft schrumpfen. Dadurch steigt die Schuldenquote. Vertrauen entsteht auf diese Weise nicht. Geld aber ist eine Frage des Vertrauens. Man könnte das auch eine Schuldenfalle nennen. Je mehr man strampelt, desto tiefer sinkt man. Das ändert auch nichts daran, wenn es jetzt in „Haushaltskonsolidierung“ umgetauft wird.
Die Leute in Europa haben zusehends die Nase voll. Offensichtlich hat man nicht verstanden, dass Europa ein politisches Projekt ist. Kein rechnerisches allein. Man hat den Wählern nicht erklärt, was europäische Integration bedeutet: Nicht nur die anderen müssen sich integrieren. Alle. „Schock nach Italien-Wahl. Machen sie jetzt unseren Euro kaputt?“, stand in der Boulevardpresse. Da liegt eben das Missverständnis. Es ist nicht nur „unser“ Euro. Wahrscheinlich ist das aber die Stimmung der Bürger. Es ist, als hätten die Deutschen gar nicht begriffen, was derzeit auf dem Spiel steht.